Re: *Schluck* - ach iwo


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Abgeschickt von Heike am 20 Februar, 2001 um 16:45:05:

Antwort auf: Re: *Schluck* - ach iwo von Martine am 20 Februar, 2001 um 16:11:20:

Hallo zusammen,

Martine, Du schreibst:

: Und ich nehme nicht jeden historischen Roman in die Hand, um ihn in kleine Stücke zu fetzen. Ich schau erst mal, was will mir die Autorin da erzählen. Ist es z.B. ein zur schönen Unterhaltung geschriebener Liebesroman in einem historischen Setting, sozusagen Lesefutter für Sofatage? Dann weiß ich, o.k., hier geht es nicht um Authentizität, sondern ich soll mich unterhalten.
: Dann ist mir auch das Wichtigste, daß es mir Vergnügen bereitet und daß ich schöne Lesestunden damit hatte.

: Leider hab ich die aber nicht, wenn mir Zweifel an den hochgerühmten Kenntnissen der Autorin kommen. Besonders wenn mir die Autorin lang und breit erklärt hat, daß es ihr um das Historische geht. Daß es für sie um Genauigkeit geht.
: Dann frage ich mich schnell, was diese Geschichte in dieser Zeit soll.

: Autoren die mir gefallen haben, sind z.B. Diana Norman.

Norman hat sich m.E. sehr entwickelt, ihre frühen Romane sind historisch nicht sehr akkurat und waren immer in Gefahr, in Richtung 'Nackenbeißer' abzugleiten. Aber 'The Vizard Mask' und vor allem 'Shores of Darkness' sind da schon auf einer ganz anderen Ebene. Das letzte Buch, dessen Titel mir aber jetzt partout nicht einfällt, war da schon wieder ein Schritt zurück.

: Auch bei Gillian Bradshaw ist das historische sicher nicht der Vordergrund, aber trotzdem die Beigabe zu einer gut erzählten Geschichte. Vor kurzem habe ich von ihr den "Leuchtturm " gelesen. Sicher gibt es da nicht alles nach Gechichtsbuch, aber die Stimmung am Ende des römischen Reiches, das fing sie gut ein.

'The Beacon at Alexandria' ist aber sehr gut recherchiert, GB hat lediglich, wie sie ja auch im Nachwort schreibt, die Ereignisse von 10 Jahren in einen kürzeren Zeitraum gepreßt oder so ähnlich. Das Chaos mit den religiösen Streitigkeiten in Alexandria, die Versuche, die Goten auf römischem Gebiet anzusiedeln (und das Desaster, das korrupte römische Militärs und Zivilbehörden bei der Umsiedlung angerichtet haben, bis hinab zum Verkauf der Kinder als Sklaven), alles ist historisch belegt. Vorsicht vor der deutschen Ausgabe: die ist, meines Wissens, gekürzt!

: Neben Cross und Gablé hat mir auch z.B. Gabaldon nicht gefallen. Zwar ist das eine nette Geschichte und auch sehr spannend erzählt, aber im Vergleich zu DD steht sie da wie Fastfood zu Slowfood. Besonders da sie so vehement auf ihre Geschichtskenntnisse pocht. Die hat sie aber nur oberflächlich, viel an ihrer ganzen Highlandsaga ist einfach nur Touri-Kitsch wie er erst nach 1850 erfunden wurde. Die ganze Plaid- und Tartangeschichte regt mich da jedesmal wieder auf. Und wenn sie so auf ihren Geschichtskenntnissen rumreitet, dann ist das ja wohl das mindeste, daß sie die auch unter Beweis stellt und den Schottenkitsch ausläßt.
: Oder sie sagt einfach: Ok! Ich schreibe karierten Kitsch, dann sage ich: Ok, ich les ihn unter der Voraussetzung gerne. Aber Etikettenschwindel mag ich nun mal nicht.

Gabaldon ist ja noch gar nichts, ich lese derzeit eines der schlechtesten Bücher, das mir jemals untergekommen ist (und ich habe es nur deshalb noch nicht in die Ecke geworfen, weil ich schon mit mir Wetten abschließe, welcher Blödsinn jetzt auf der nächsten Seite kommt). Es ist Katherine Nevilles 'The Magic Circle' (ich habe heute in der Buchhandlung die deutsche Ausgabe mit dem hübsch falschen Titel'Der magische Zirkel' gesehehen - in diesem Fall paßt es wirklich wie die Faust aufs Auge, daß nicht einmal der Titel richtig übersetzt wurde). Der Anfang ist ja noch ganz passabel, ich dachte, da kommt ein Krimi, und die Schreibweise ist auch recht spannend. Aber der Inhalt: multiple Verschwörungen und Verbindungen zwischen allem und jedem, z.B. Adolf Hitler, indianischer Kultur, dem letzten Abendmahl, Kaspar Hauser, dem Burenkrieg - ach ja, die Druiden habe ich vergessen, ganz zu schweigen vom Orakel von Delphi. Die Teile, die im alten Rom spielen, sind seitenweise von Graves abgekupfert. Wenn also jemand mal ein wirklich abschreckendes Beispiel von geistigem Durchfall lesen will, sei ihm dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt.

Gruß

Heike




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