Re: Zu Hülf! Au secours!


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Abgeschickt von HeikeF am 01 September, 2002 um 22:36:58:

Antwort auf: Zu Hülf! Au secours! von Martine am 01 September, 2002 um 16:38:28:

Hallo Martine,

eine wirklich schwierige Aufgabe, die du uns da stellst... Wie Grisel schon sagte, so genau wie du werde ich mich wohl nicht ausdrücken können.

: Wo würdet ihr Dunnett einordnen, wenn ihr ihr ein Etikett aufkleben müßtet?

Historischer Roman. Ich muß gestehen, da ich so ewig lange Historische Romane, oft gute, gelesen habe, kann ich persönlich nichts mit den Vorurteilen gegen dieses Genre anfangen, also würde ich das auch nicht automatisch von meinem Gegenüber erwarten. Vielleicht, wenn er skeptisch schaut, ihn daran erinnern, daß es in jedem Genre gute und schlechte Beispiele gibt und DD eben ein ganz besonders gutes ist?

: Was an DDs Sprache/Stil für euch das Schönste? Die Poesie, die Zitate? Könnt ihr Beispiele geben?

Ich zitiere jetzt mal ein bißchen aus einem kürzlichen Claes-Posting von mir...

Sie schafft es, mit einem Satz, einem Halbsatz oder nur drei Wörtern eine Person zu beschreiben, so daß man sie kennt, sich an sie erinnert - selbst wenn sie keinen Namen hat (wie z.B. die Hure in Berwick in RC) oder nur eine einzige Szene (z.B. Mr. Myles, Molly).

Dann verwendet sie oft Wörter oder Metaphern, die vielleicht normalerweise oder in diesem Kontext nicht passen, aber dann doch einen Sinn ergeben ("annihilating tap" GoK). Oder "…Sigismond, his gapped teeth *harrowing* a long, bristling bone…" (UH)

Oder bestimmte Bilder, die sie immer wieder in die Erzählung einflicht, wie z.B. "oyster shells", "date stones" oder ihre Verwendung von Wasser und Eis.

Sie spielt mit den Gefühlen des Lesers, in die tiefsten Tiefen, die höchsten Höhen, wird aber nie melodramatisch oder pathetisch. Oft tut sie das, indem sie eine Szene mit ihrem Witz "abfedert", ohne das es dadurch lächerlich wird oder unrealistisch (manchmal wird es eben darum nur umso aufwühlender).

Und ganz allgemein ist ihr Sprachstil einfach wunderbar.
Poetisch, ohne schwülstig zu sein.
Abwechslungsreich, ohne zu überreizen.
Exakt, ohne nüchtern zu sein.
Witzig, ohne albern zu sein.

: Habt ihr schon einmal etwas getan, was euch ohne Dunnett zu lesen nie in den Sinn gekommen wäre?

Hmmm... Mich an Internet-Buchdiskussionen beteiligen, sogar auf englisch? Mit Birgit und Mara nach Spuren fiktiver Personen in Trier suchen und sich die Füße wund laufen? Mit Birgit stundenlang über fiktive Gestalten diskutieren wie bei einem Kaffee-Klatsch? Sich bei fremden Leuten, die man bisher eigentlich "bloß" virtuell kannte, wie unter Freunden fühlen und drauflos schwadronieren, auf englisch, auf deutsch, gemixt (*kichert in Erinnerung an den Abend mit Kerstin*)?

: Welche nicht literarische Qualität haben ihre Bücher für euch?
: (Z.B. gibt es eine andere Kunstform (Maleri, Film, Musik)mit der ihr sie vergleicht?

Ganz eindeutig Malerei. Man spürt sehr oft, daß sie in dieser Kunstform ausgebildet ist.

Es gibt da eine Stelle in PiF, in der ein Innenraum mit einem Springbrunnen beschrieben wird. Während diese Szene beschrieben wird, habe ich förmlich den Pinsel vor mir gesehen, der immer neue Details einfügt in das Bild und es so immer mehr gestaltet, die Ranken, das Gras am Boden, einzelne Wassertropfen...

Oder: Marthe, umgeben von Tauben. Oder ein Bild, auf das mich Grisel aufmerksam gemacht hat: Jerott und Gabriel in ihren wehenden Ordenskleidern gehen Seite an Seite die Stufen zu St. Giles nach oben.

Oder die berühmte Wasserfall-Szene in RoS - ich sehe genau vor mir, wie die Sonne in sichtbaren Strahlen durch das viele unterschiedlich farbene Grün oder das fallende Wasser scheint und Nicholas und Katelina anstrahlt... DIESE Szene ist auch eine derjenigen, die ich wirklich RIECHEN hören und spüren kann: die Hitze, die Schwüle, die Vögel, das klebrige Harz, das nasse Grün...

: Habt ihr eine Stelle, die ihr einem Nichtleser beschreiben/nacherzählen könntet, um ihm Dunnett nahezubringen?

Ich glaube, ich würde die Wasserfallszene nehmen. Oder RC - Lymond blickt Slata Baba nach, während sie hoch oben fliegt.

: Habt ihr eine Stelle in der der Vergleich mit einer anderen Kunstform ganz deutlich wird?

S.o. Es gibt viele solcher Szenen-Beschreibungen; ich finde der Ausdruck "image-painting" paßt selten so gut wie bei DD.

: Warum sollte jemand unbedingt eine Dunnettfigur kennenlernen? Welche? (Das muß sich nicht auf die Hauptpersonen beschränken.)

Die meisten Charaktere sind auf ihre Art sehr interessant - ich wäre neugierig auf jeden, ich würde gerne mehr über sie wissen, sie Dinge fragen, sie einfach kennenlernen wie reale Personen...
Nun gut, auf Leonard Bailey und Tzani-Bey kann ich verzichten *g*, aber ich würde wirklich gerne mal Margaret Lennox kennenlernen oder Kate oder Lord Grey oder Danny oder Tobie oder Kati oder Zacco oder Adorne oder LdB etc., kurz gesagt: alle *g*.

: Gibt es etwas, was ihr speziell einem (Kunst-)Historiker zu Dunnett sagen würdet?

LESEN! Er wird vieles Bekannte (vielleicht auch Unbekannte?) entdecken können, verbunden mit einer spannenden Geschichte - SO könnte es wirklich passiert sein (so kam Tomasso auf das Bild, hier ist die verschollene Zeichnung von Donatello *g*...) Die Anspielungen auf Kunst und Gemälde sind so liebevoll, da muß einem Kenner doch das Herz aufgehen!

Heike


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