AN LORENZO STROZZI IN BRÜGGE

Im Namen Gottes. Den 27. Februar 1451


Binnen der letzten Tage habe ich durch Piero Borromei Deinen Brief vom 31. Dezember bekommen und vorher einen vom 14. desselben Monats; dann durch Bagnacavallo einen vom 9. Januar. Auf alle diese antworte ich hiermit.

Wie ich von unserem Matteo aus Rom höre, hat er Dir geschrieben, daß Niccolò und er dort angekommen sind, und zwar am 8. Januar; und er wird Dir auch, denke ich, mitgeteilt haben, weswegen Filippo in Neapel geblieben ist: es war doch nur noch so wenig zu erledigen, daß ich ihn, wenn nichts anderes dazwischen kommt, bald hier erwarten darf. Mir will es eine Ewigkeit scheinen, seitdem ich ihn nicht gesehen habe; und es wäre wohl notwendig, daß er käme, weil Antonio Macigni und Niccolò Soderini mir auf alle Weise das einst in Zanobis Besitz befindliche Grundstück zu entreißen suchen [1]. Und sie stoßen böse Drohungen aus, mich zugrunde richten zu wollen und schwatzen das Blaue vom Himmel herunter. Und obwohl das Recht auf meiner Seite ist, so findet sich doch manch zweifelhafter Punkt, wo sie mir Verdruß bereiten können, nicht weil sie Recht haben, sondern weil Soderini die Macht hat. Und sie werden sich mit Beschwerden an die Signoria wenden, um die Sache billiger und schneller zu erreichen; und wenn sein Einfluß mehr vermag als mein Recht, so wird er es an sich reißen; geht es aber nach Recht und Gerechtigkeit, so wird es mir zufallen.
Jeden Augenblick bin ich gewärtig, daß sie mit irgendeiner Forderung herauskommen, und mache mich zur Gegenwehr bereit; und so will ich tun, was in meinen Kräften steht. Wenn aber Filippo herkäme, so wären wir doch um einen mehr, unser Recht zu vertreten. Gott lenke alles zum Besten. Was daraus wird, sollst Du erfahren.

Bezüglich der Netze habe ich nichts getan. Ich habe mich nämlich erkundigt und erfahren, daß eines für kleine Vögel, so schön, wie es sein muß, die Versendung eingeschlossen nicht weniger als 6 Gulden kostet. Und deswegen habe ich noch gewartet, denn die Zeiten scheinen mir nicht danach, für solche Sachen Geld auszugeben, da wir es für wichtigere Dinge brauchen.
Da ist z. B. die Stadt, die mich rein auffressen will. Da haben sie eine neue Steuer aufgelegt, die am 20. des Monats veröffentlicht wurde, und zwar 32 Einheiten[2]; mich haben sie mit 5 Gulden, 16 Soldi und 10 Denaren in Gold besteuert. So magst Du selbst Dir ausrechnen, wieviel ich zu bezahlen habe, denn Du kannst annehmen, daß es zusammen mit den Spesen für die einzelnen, jedesmal 6 Gulden sind. Nun rechne Dir aus, da es deren 32 sind, was das ausmacht; und das muß innerhalb weniger Monate bezahlt werden, denn im März müssen 6 Raten bezahlt sein und Monat für Monat dasselbe[3]. Und schon ist der Termin für 6 Raten vorbei. Wenn ich also an die Stadt zu bezahlen habe und mit Niccolò Soderini prozessieren muß, so muß ich, denke ich, die Vogelnetze schon beiseite lassen. Lenke also Deinen Sinn auf Dinge von größerer Wichtigkeit; das liegt doch wohl in Deinem eigenen Interesse.

Filippo ist vergangenen Juli 24 Jahre alt geworden, und am 7. des kommenden März werden es 12 Jahre, seitdem er Florenz verlassen hat. Du bist am letzten 21. August 20 Jahre alt gewesen, und in diesem Monat werden es 7 Jahre, seitdem Du von Florenz weggingst.
Und Matteo wird am 1. März 17 Jahre, und am 7. ds. war es drei Jahre her, daß er von hier fort ist. Die Caterina wird am 15. Mai 22 Jahre alt; die Lesandra hat im letzten Monat ihr 18. Jahr vollendet. So bist Du über alles unterrichtet[4].
Aber kommen wir wieder auf Dich zurück. Du bist doch jetzt alt genug, um Dich anders zu führen, als Du es tust, und solltest Dich endlich einmal bessern und mit ganzer Seele Deinen Sinn auf einen guten Lebenswandel richten. Denn bis jetzt hast Du Dich wie ein kleines Kind benommen, aber jetzt ist es etwas anderes: einmal wegen Deines Alters, und dann weil man Deine Fehler nicht mehr Deiner Unwissenheit zugute halten kann, als ob Du nicht wüßtest, was Du tust. Denn Du hast Verstand genug, um einzusehen, was gut und was böse ist, und besonders, wenn Du von Deinen Vorgesetzten ermahnt wirst. Ich höre, daß Du Dich nicht beträgst, wie ich es möchte, und bin sehr bekümmert darüber und lebe in großer Furcht, daß Du eines Tages einen schweren Zusammenbruch erleidest und tief in den Sumpf gerätst. Denn wer sich nicht vorsieht, wird eines schönen Tages das Nachsehen haben. Unter allen Sorgen, die mich plagen, ist die um Dich die größte[5].
Ich hatte daran gedacht, das Grundstück in der Antella zu verkaufen, einmal um aus dem Ärger und den Ausgaben herauszukommen, und dann um Euch ordentlich helfen zu können; denn nach Bezahlung der Hypotheken, die darauf liegen, würde ich noch bare 800 Gulden daraus ziehen können; 300 Gulden davon gehören Filippo, und ich dachte mir, Ihr beiden, Filippo und Du, könntet ein Handelsgeschäft eröffnen, damit Ihr jedes Jahr etwas zurücklegt.
Aus allem aber, was ich von Dir höre, ersehe ich, daß Du es besser verstehst, das Geld zum Fenster hinauszuwerfen, als auch nur einen Groschen zurückzulegen, und daß Du so Deinem eigenen Interesse zuwider handelst. Ich sehe schon, Du wirst sicher Schimpf und Schande über uns bringen; denn, wie ich höre, hast Du Sitten und Gewohnheiten, die nicht gut sind, und alle Ermahnungen fruchten nichts. Das ist mir ein schlechtes Zeichen und läßt jeden guten Gedanken für Dich in mir ersterben, und ich weiß nicht, warum Du Deinen bösen Lüsten folgst, da Du doch einsehen mußt, daß Du erstens Gott, der über allem ist, Ärgernis gibst, dann aber auch mir, die ich schwer darunter leide, von Deinen Fehlern zu hören. Was für Schaden und was für Schande daraus entsteht, das gebe ich Dir selbst zu bedenken; und auch Jacopo bereitest Du Verdruß, und zwar großen. Wenn Du jetzt noch ein neues Leben anfangen wolltest, so wäre noch etwas für Dich zu erhoffen; schon seit Jahren aber hast Du begonnen, Dinge zu tun, die nicht wohlgetan sind. Mir zuliebe hat man Dich geduldet; änderst Du aber Dein Benehmen nicht, so werden, glaube ich, meine Bitten für Dich nicht länger fruchten. Genüge Dir dieses! Sei vernünftig, denn das tut Dir not und wird Dir frommen! Von Bagnacavallo erhielt ich 3000 Nadeln, davon haben Caterina und Lesandra jede ihren Teil bekommen, was ihnen sehr willkommen war.

Bei den neuen Steuern ist, soviel ich erfahren konnte, auf Euch nichts gefallen; auch bei der letzten hattet Ihr nichts zu bezahlen. Wie ich Euch aber wiederholt geschrieben habe, habt Ihr von alten Steuern her Schulden, nämlich von der vor 14 Jahren, von jener, die "Settina" hieß; dazu von später her noch ungefähr 70 Gulden. Von den letzten beiden Steuern aber trifft Euch nichts. Dies zu Eurer Kenntnis. Wie ich Dir schon in meinem letzten Briefe mitteilte, habe ich das Wachsbild der Nunziata geschickt[6].

Schreibe bitte an Filippo und Matteo nach Rom und schicke die Briefe an mich, damit ich sie ihnen weiter senden kann. Tedeschino ist hier gewesen und noch einer, der bei Euch im Hause zu wohnen angibt; seinen Namen weiß ich nicht und habe ihn nicht gehört. Aber Tedeschino sagt, er gehe der Lucrezia[7] voran, wenn sie zur Kirche geht. Er soll der Überbringer dieses Briefes sein und soll ihn niemandem anders in die Hände geben als Dir. Teile mir mit, ob er so getan hat. Nochmals rufe ich Dir ins Gedächtnis: schlage meine Ermahnungen nicht in den Wind; denn sie sind voller Liebe und voller Tränen. Ich bete zu Gott, er möge Dich willig machen ,so zu handeln, wie ich es erflehe. Heute habe ich nichts weiter zu schreiben.. Gott schütze Dich vor allem Übel! Von Deiner Allesandra, Witwe des Matteo Strozzi in Florenz.

Noch eins: Jacopo und Niccolò sind mit 39 Gulden und einigen Soldi besteuert worden; Donato Cavalcanti mit ungefähr 4 Gulden, Francesco Strozzi mit 8 Gulden und einigen Soldi, die Erbschaft Zanobis mit einem Gulden. Das sind falsche Schätzungen und darob viele Klagen. So hat man einen Steuernachlaß beschlossen und, wie es heißt, dafür eine Fünferkommission für das ganze Land eingesetzt. Nichts weiter.

ANMERKUNGEN

[1] Zanobi Macinghi, Bruder Alessandras, war anfangs 1452 gestorben. Er hatte, wie aus einem Briefe Lorenzos aus Brügge an seinen Bruder Filippo hervorgeht, alles seiner Schwester vermacht; [...]. Nun wurde das Testament von den Verwandten auf Grund des Testaments von Zanobis Vater, das die Brüder wechselseitig zu Erben einsetzte, angefochten. Filippo kam damals tatsächlich nach Florenz und half der Mutter, ihr Recht zu vertreten.

[2] [...] Es handelt sich wohl um die sogenannte "dedna nuova con l'aggiunta" [...].

[3] Nach Guasti S. 132 wäre dies die Steuer, die den bekannten Humanisten Giannozzo Manetti infolge des Übermaßes der ihm auferlegten Summe zwang, in die Verbannung zu gehen. — Auf Alessandra fiel die für sie kaum erschwingliche Summe von 192 fl.

[4] Diese Angaben stehen vielleicht mit irgendeiner Steuereinschätzung in Zusammenhang und sind offenbar Antworten auf eine Anfrage Filippos.

[5] Lorenzo mußte schon schlimme Dinge auf dem Gewissen haben, um eine solche Standpauke seiner liebevollen Mutter herauszufordern. In der Tat hatte er schon ein Jahr zuvor in einem Brief an seinen Bruder Filippo vom 4. März 1451 diesem Beichte abgelegt und — offenbar vergeblich — Besserung gelobt. Sein Chef Jacopo berichtet in einem Brief vom 7. Juni 1452 an Filippo von Lorenzos Spielleidenschaft, der er trotz aller Bitten und Ermahnungen fröne. Beim Ballspielen brach er sich dann den rechten Arm; wütend berichtet darüber Jacopo wieder an Filippo am 13. Januar 1452:
"Wenn Du wüßtest, wie oft ich ihm dies elende Ballspiel verboten und mich darob mit ihm erzürnt habe, Du würdest Dich wundern: nicht — weil ich dachte, es könnte ihm etwas Derartiges passieren, sondern weil er damit seine Zeit vergeudete und gar zu hoch spielte. Gewann er, so verschleuderte er bald den Gewinnst; verlor er, so verfiel er, um sich einzudecken, auf üble Dinge..."
Es handelte sich also offenbar um einen um Geld betriebenen oder mit Wetten verbundenen Sport. Im übrigen klagt Jacopo im gleichen Briefe, daß Lorenzo "sehr hochfahrenden Wesens und ein Dickkopf sei und sich um nichts kümmere, was man ihm sage". —

[6] Lorenzo hatte, wohl als Buße für seine Sünden und weil er seine Verletzung beim Ballspiel als Warnung des Himmels deutete, sich nach Florentiner Sitte der Vergine Annunziata empfohlen, d. h. ihr ein "ex voto" Bildnis aus Wachs gelobt, das in der Annunziatakirche aufgehängt wurde. — Vgl. dazu Warburg, Bildniskunst und florentinisches Bürgertum S. 11, 29ff.

[7] Lucrezia di Donato Cavalcanti, Gattin des Jacopo Strozzi in Brügge seit 1446. Er hatte von ihr einen Sohn und zwei Töchter; die öfters genannte Isabella war ebenso wie ein Sohn Jacopo unehelicher Herkunft.

aus: Alessandra Macinghi negli Strozzi Briefe, herausgegeben und eingeleitet von Alfred Doren, Jena 1927, S. 52 — 55


Zurück zum Adventskalender