Re: Krankheiten von DD-Lesern, Malt, Jerott und ganz viel OT zu Ecos Pendulum


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Abgeschickt von Martine am 14 Februar, 2002 um 23:28:49:

Antwort auf: Malt, Jerott und Eco - Übertrag COF von Grisel am 12 Februar, 2002 um 19:11:45:

Liebe Grisel
endlich komm ich mal ein bißchen zum Schwafeln....
.. und tue das nun auch ausgiebig!

>(...)
Yiek! Das hat mir aber keiner gesagt, daß das ansteckend sein kann! "Ich habe Lymonditis!"

Pst, er mag nicht ,wenn man von ihm spricht wie von einer Krankheit...
Grinz.


>(...) Jerott(hoffentlich richtig geschrieben, *stöhnundaugenverdreh.)
Wieso augenverdreh? Weil der Name so kompliziert ist, oder etwa gar wegen IHM???

Zweimal darfst du raten....


>(...)
Wie, Du lockst Leute in Deine Wohnung um sie abzufüllen???

Natürlich, für was sonst sollte ne Wohnung da sein, als darinnen gemütlich und vor den Unbillen der Witterung geschützt seinen illustren Hobbies nachzugehen...

(wegschnippel)


>And now to something completely different....:
Ich lese grade das Foucaultsche Pendel zum zweiten Mal. Kannst du mir mal - evtl. an anderem Ort in Geoland, *grinz* - erklären, warum du das Buch gut findest?

Du schreibst:
>(...) Und ich weiß gar nichts darüber. Ich muß Dir leider die simple, unbefriedigende Antwort geben, daß mir das Buch einfach nur gefallen hat. Es ist lange her, deshalb kann ich mich an Details nicht mehr erinnern.
Auf jeden Fall mal der Stil, den mag ich. Aber auch diese Verarschung der Geheimorden. Daß die drei Helden zum Spaß einen Orden erfinden, und daß der dann zum Leben erwacht. Ich beschäftige mich recht gerne mit diesen Geheimordens-Weltverschwörungs-Geschichten, und finde sie schon absurd, unterhaltsam genug, wenn ich ernstgemeinte Bücher dazu lese.


Ha! Nun schreib aber ich ...:
Ich finde, daß ihn gerade das fürchterlich mißlungen ist. Er kann sich nicht entscheiden ob er oder ober nicht die ganze Sache wirklich ernst nehmen sollte, oder doch nicht, oder vielleicht doch... letztendlich verirrt er sich selbst in dem Gewirr der Zeichen. Schließlich ist er ein Semiotiker und unterliegt der Versuchung zu interpretieren, auch wenn es nix zu interpretieren gibt.


>(...)Oder wie sie sich bemühen, einen Sinn hinter diese Templer-Botschaft zu bringen, und dann sagt die Frau, das war wahrscheinlich einfach eine Wäscheliste.

Ja, aber:
Und später ist es doch wieder keine Wäscheliste, sondern doch eine Botschaft... und dann wieder nicht... usf...


>(...) Oder wie einer beweist, daß auch ein Zeitungskiosk, wenn man nur lange genug damit herumwerkelt, bedeutungsvolle Abmessungen vorweisen kann. Etc.


Ja, aber genau das meine ich:
er fällt seiner eigen Versuchung anheim, die Zeichen doch für interpretierbar zu halten.
Letztendlich richtet er damit mehr Schaden an, bei er geneigten Leserschaft, die bereit ist, die Botschaft von Eco zu glauben, von einem Oberst Alberti aber nicht. Und ich kenne einige, die GLAUBEN diesem Buch. Und das ist das was mich daran stört.

Natürlich ist es Eco. Natürlich ist es brilliant, wenn man Stil und Umsetzung bewertet aber es ist auch ungemein geschwätzig. (Göttin sei Dank nicht so geschwätzig wie der Mulisch.) Aber das ist eben nicht das einzige bei Ecos Buch. Wenn es nun dazu kommt, daß ich eine recht heftige Auseinandersetzung habe, um genau diesen Schwurbelkram, der uns hier auch schon erheitert hat, und dann wird mir genau das Buch als ernst zunehmende Umsetzung gepriesen, dann reicht's!

Eco hat eine schreckliche Sache am Anfang seiner literarischen Karriere erfahren müssen. Er hat das beste Buch (Der Name der Rose) zuerst geschrieben.

Auch da ist es mir passiert, daß einige meiner Bekannten der Meinung waren, es handle sich um Tatsachen, aber denen konnte man noch locker den Kopf zurechtrücken, und ihnen erklären, warum es sich nicht um Tatsachen, sondern um ein Spiel (mit literarischen Topoi) handelt. Und um einen Schlüsselroman über Literatur sozusagen.

Aber dann dieses gräßliche Pendulum. Nun kannst du mit Marx- und Engelszungen auf sie einschwätzen, aber wie heißt es doch so schön über das Sein und das Bewußtsein, nach der einen Facon bestimmt da erster das zweite, aber es geht uch durchaus umgekehrt....?

Eco hat mit dem Pendel einfach versucht einen weiteren Namen der Rose zu schreiben und einen Bestseller nach dem selben Rezept zu kochen. Was lag näher, als im Land wo sich die Mafia in Freimaurerlogen trifft, sich dieses Themas anzunehmen? Und natürlich ist die Semiotik nicht die Literatur. Semiotik ist eigentlich auch eine kleine Geheimwissenschaft, ein Orchideenfach für ein paar Physiker unter den Literatur- und Sprachwissenschaftlern. Und es ist Ecos Gebiet. Die Interpretation der Zeichen ist bei weitem nicht so schön griffig, wie die Topoi der Literatur, die uns im Namen der Rose vorgeführt werden.

Und genau das, diese lustigen Beispiele mit der Wäscheliste, oder ist es doch keine - oder mit dem Zeitungskiosk und seiner tieferen Bedeutung, ist genau das Spielfeld der Semiotik.

Dann liefert Eco also das Pendel ab, und natürlich GLAUBEN ihm die Möchtegern-Geistesgrößen mit ihrer spießbürgerlichen Halbbildung, was da schwarz auf weiß steht. Denn sie sind eben nicht in der Lage, die Zeichen als solche zu erkennen und einzuordnen in Bedeutung und Unbedeutung, sondern nehmen alles als bare Münze an, denn wenn es aus einem ernsthaften und berühmten Munde kommt ist es allemal wahrscheinlicher, als wenn es ein durchgeknallter Oberst Alberti schwurbelt..

Und genau in der Diskrepanz zwischen den Verlegern von Garamond, dem Dottore Alegri(?) und dem Direktor von Manunzio und den Oberst Alberti verliert sich Eco schließlich ganz. Er, - so habe ich ab einem bestimmten Punkt vermutet, - weiß selbst nicht mehr, was nun Wirklichkeit und was Wahn ist. Oder wo der Wahn zur Wirklichkeit geworden ist. Nicht daß der Leser es nicht mehr weiß, das wäre noch eine Intention an dem Buch. Nein, der Autor weiß es nicht mehr, und ab da geht es dann bergab. Alles, jeder Handlungsfaden wird dünn und veschwurbelt, alles wird immer wirrer, weil er selbst die Verwirrung nicht mehr auflösen kann und es endet in dem Finale in Paris und der Flucht - aus der Handlung.

Ich ärgere mich eigentlich nur, daß ich mich nun schon zum zweitenmal über dieses Buch ärgere.

Martine



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