Gesichter der Renaissance


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Abgeschickt von Martine am 04 September, 2011 um 15:10:35:

Kurzer Bericht von der Ausstellung "Gesichter der Renaissance" im Bode-Museum Berlin

Zuerst: Es dauert. Bis man drin ist. ( Meine Gedanken darüber stehen am Schluß.)
Ich brauchte drei Anläufe um überhaupt an eine Karte zu kommen. Es ist ein Riesenansturm.
Und ja, es lohnt der Mühe.

Ausgestellt werden ca. 170 Exponate, aus Skulptur, Malerei, Medaillenkunst, Zeichnung zwischen 1430 und 1500, Hauptgewicht auf dem italienischen Raum.
Viele Dunnett-Bekannte darunter;-). Beim nächten Besuch nehm ich den Companion mit.

Die Exponate sind exquisit und kommen aus aller Welt. Glücklich war ich über den Lippi, den Ihr auch von der Website kennt, ich wünschte so sehr, das Bild mal im Original zu sehen, denn nur dann erkennt man die Kleinigkeiten, die bei einer Reproduktion gar nicht erst auffallen. So u.a. das Wappen, auf das der durch das Fenster schauende Mann die Hände legt.

Großartig auch das Monfeltro-Portrait von Piero di Spagna, das den Herzog von Urbino in all seinen Lieblingsrollen als Krieger, Vater, Büchernarr zeigt.
Es ist einfach wert, da mal eine Weile davor zu stehen.
Wunderbar die beiden Fiesolebüsten von Niccolò Strozzi und Piero di Medici. Endlich hab ich verstanden, warum es bei beiden Mino da Fiesole sein musste.;-)

Ich war dann etwas 4,5 Stunden in der Ausstellung, hab mir sehr viel Zeit gelassen und auch einiges der Führungen unabsichtlich mitgehört. Besonders die Darstellung von Caterina Corner (- das Bellini-Bild hängt auch dort -) als armes geschundenes Lämmchen war schon beeindruckend. Warum lesen die eigentlich nicht Dunnett?

Und damit sind wir bei der Ausstellungskritik.

Aufgeteilt in regionale Räume sind die Exponate unzusammenhängend nach regionaler Entstehung geordnet und nicht nach ihren Beziehungen. So stehen die beiden Büsten von Piero di Medici und Niccolò Strozzi nicht nahe beieinander, sondern sind drei Räume voneinander entfernt aufgestellt. Auch die beiden anderen Strozzi-Büsten sind nicht in einem Zusammenhang gesetzt. Schließlich ist Niccolò der Onkel von Marietta und Filippo di Matteo, alle drei kennen sich, sind Zeitgenossen, haben viel miteinander zu tun!. Wer die Strozzis waren, wird so nicht klar. Dafür sind dann den Medicis gleich zwei Räume gewidmet, die sie sozusagen als Ausnahmefamilie darstellen.

Diese Aufteilung gerät schnell an die Grenze, wenn die Beziehungen zur nordeuropäischen Malerei ins Spiel kommen. Unvermittelt hängt da ein Dürer, van der Weyden, Memling irgendwo bei Venedig, warum wird auch nur rudimentär erklärt.

Natürlich liegt damit das Augenmerk der Ausstellung auf der Schönheit der Kunst. Dieser streng kunsthistorische Aspekt verkürzt jedoch den Blick und das wird deutlich in den Bildbescheibungen und den ('tschuldigung) doofen Sperenzchen auf der Austellungsseite und im Audioguide. Es profanisiert unseren Blick und verengt ihn auf „komische Frisur - vorstehende Oberlippe - prächtige Klamotten“.

Ich hätte gern einen DinA3-Band Panofsky zur Hand gehabt und dann gern versucht den Kura-Toren diesen in den Kopf zu stopfen. Ok. Ich bin Dunnettleser und Frühneuzeitler (nicht zwingend in dieser Reihenfolge).
Da will und kann ich eben nicht nur die Bilder losgelöst von ihrer historischen Dimension sehen.

Warum macht man so was?

Nun man möchte sich nicht mit den Leuten auf den Bildern beschäftigen, Aby Warburg , Panofsky sind ja schon ein Weilchen tot und gar nicht mehr modern. Und heute lebt man in der Postmoderne und die Geschichte ist auch zu Ende.

Man möchte den "unverstellten" Blick. Und vergißt, dass der auch zu hunderten auf den Ramschtischen der Buchhandlungen in Form der gräßlichen historischen Romanzen liegt.

Wenn man die historische Wirklichkeit dieser Bilder nicht mit einbeziehen will, verkürzt man ihre Wirkung. Man nimmt ihnen ihr Gewicht und ihre Wahrheit für unsere Gegenwart. Sie werden zum Dekostück mit Vermögenswert. Im Prinzip macht man sie damit mundtot. Das, und nur das kotzt mich an, wenn ich in solche Ausstellungen gehe.


_________________________
Zum Besucherandrang:

Der Engpass ist gewollt.
Die Situation ist nicht durch Unkenntnis oder unterschätztem Interesse entstanden, das zeigt de Medienhype vor der Ausstellung.

1.
Es gibt durchaus Ausstellungsorte in der Stadt, die für mehr als 300 Besucher/Stunde geeignet sind, aber von den Organisatoren nicht in Betracht gezogen wurden, weil es unbedingt im Bode-Museum sein musste, das sowieso ein Problem mit der Präsentation von Malerei hat, weil die Räume dafür klimatisch nicht ausgelegt sind.

2.
Es wächst der Verdacht, es handele sich hier um die Zurschaustellung eines gewissen Elitedünkels innerhalb der Stiftung.
Auf die Frage hin, was denn Leute machen sollen, die evtl. wochentags arbeiten müssten und sich nicht tagsüber in die Schlange stellen können, gab es die Antwort: "Die haben eben Pech gehabt".
Ja, Pech für die Heloten, die für die Austellungen das Geld erwirtschaften dürfen. Sollen gefälligst arbeiten gehen und nicht Kunst gucken. Die bleibt dann dem VIP-Publikum vorbehalten, das bleibt sowieso lieber unter sich.

3.
ist inzwischen für die Reputation der Museen die Schlange vor der Sonderausstellung wichtiger als die Pflege und der Erhalt der Sammlung. (Siehe die Situation der Museen Dahlem oder des Kunstgewerbemuseums am Kulturforum).

Gruß Martine





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